Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 09.12.2020,
Az. 1
BvR 704/18 einer Verfassungsbeschwerde einer Verlegerin eines Magazins
stattgegeben, die sich gegen zivilgerichtliche Entscheidungen richtet, die die
Beschwerdeführerin zum Abdruck einer Gegendarstellung verurteilen.
Die Beschwerdeführerin veröffentlichte einen Artikel, der
sich mit Steuersparmodellen im Zusammenhang mit maltesischen Gesellschaften
deutscher Unternehmen und Privatpersonen befasst. Es wird unter anderem darüber
berichtet, dass der Antragsteller des Ausgangsverfahrens eine Firma im
Firmenregister in Malta eintragen ließ, deren Geschäftszweck insbesondere der
Kauf, Betrieb, Verleih und Bau von „Schiffen jeder Art“ sei. Zudem wird unter
anderem erklärt, dass es ein „paar naheliegende Gründe [gebe], nach Malta zu
gehen, wenn die Firma das Wort „Yachting“ im Namen trägt“. Die
Beschwerdeführerin wurde daraufhin von den Fachgerichten zur Veröffentlichung
einer Gegendarstellung verurteilt. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen
die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1
Satz 2 GG. Entgegen der Entscheidung der Fachgerichte handelt es sich bei der
streitgegenständlichen Passage nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um
ein Werturteil, welches nicht gegendarstellungsfähig ist.
Sachverhalt:
Im Frühjahr 2017 recherchierte die Beschwerdeführerin zum
Finanzplatz Malta. In einer Liste, die ihr von einem Journalistennetzwerk
zugespielt worden war, tauchte der Name des Antragstellers des
Ausgangsverfahrens im Zusammenhang mit einer maltesischen Gesellschaft auf.
Nach vorangegangener Anfrage der Beschwerdeführerin antwortete der Rechtsanwalt
des Antragstellers des Ausgangsverfahrens, sein Mandant werde keine Fragen
beantworten, es handele sich um private Vermögensfragen. Im Zusammenhang mit den
Begriffen „Steueroptimierung“ und „Steuerersparnis“ würden Sachverhalte
unterstellt, die nicht zuträfen.
Die Beschwerdeführerin veröffentlichte den
streitgegenständlichen Artikel. Dieser befasst sich mit Steuersparmodellen im
Zusammenhang mit maltesischen Gesellschaften deutscher Unternehmen und
Privatpersonen. Auf einer der folgenden Seiten befindet sich in der mittleren
Spalte ein Bild des Antragstellers des Ausgangsverfahrens mit einer in einem
Kasten abgesetzten Frage:
„Warum Malta, Herr […]? Angeblich alles legal und reine
Privatsache.“
Im Artikel wird darüber berichtet, dass der Antragsteller
des Ausgangsverfahrens im April 2016 die Firma „[…] Yachting Ltd“ im
Firmenregister in Malta eintragen ließ, deren Geschäftszweck sei: „Kauf,
Betrieb, Verleih, Bau und noch einiges mehr, was mit „Schiffen jeder Art“ zu
tun hat“. Weiter heißt es im Artikel wörtlich:
„Es gibt zumindest ein paar naheliegende Gründe, nach Malta
zu gehen, wenn die Firma das Wort „Yachting“ im Namen trägt. Malta hat nicht
nur das größte Schiffsregister Europas. Vor allem Jachtbesitzer lockt der
EU-Zwerg mit Sonderangeboten - bei der Mehrwertsteuer. […]“
Nach zuvor ablehnender Entscheidung des Landgerichts
entschied das Oberlandesgericht im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Antrag
des Antragstellers des Ausgangsverfahrens, dass die Beschwerdeführerin zur
Veröffentlichung einer Gegendarstellung verpflichtet sei. Auf den von der
Beschwerdeführerin eingelegten Widerspruch erging das den Erlass der einstweiligen
Verfügung bestätigende Urteil des Landgerichts. Das Oberlandesgericht wies die
von der Beschwerdeführerin eingelegte Berufung zurück. Es handele sich bei der
wiedergegebenen Aussage nicht um eine erkennbar subjektive Einschätzung der
Beschwerdeführerin, sondern um eine Tatsachenbehauptung. Unter Mitteilung
objektiver Tatsachen werde der tatsächliche Verdacht zum Ausdruck gebracht, der
Antragsteller habe die Gesellschaft auf Malta gegründet, um Mehrwertsteuer zu
sparen. Damit treffe die Beschwerdeführerin eine Aussage über die angebliche
Motivation des Antragstellers, die dem Beweis zugänglich sei. Die
Beschwerdeführerin druckte daraufhin die Gegendarstellung ab.
Die Beschwerdeführerin rügt die Verletzung ihres Grundrechts
auf Pressefreiheit.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet.
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die
Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1
Satz 2 GG, weil die Fachgerichte die Bedeutung und Tragweite der Pressefreiheit
nicht hinreichend berücksichtigt haben.
Gegendarstellungsfähig ist nur eine Tatsachenbehauptung, die
die Presse zuvor aufgestellt hat. Die Pressefreiheit ist deshalb verletzt, wenn
eine Gegendarstellung abgedruckt werden müsste, obwohl es sich bei der
Erstmitteilung nicht um eine Tatsachenbehauptung handelt.
Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung
zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit geprägt und der Überprüfung mit
Mitteln des Beweises zugänglich. Bei einer Meinung handelt es sich um eine
Äußerung, die durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt
ist. Für die Abgrenzung nach dem Schwerpunkt kommt es entscheidend auf den
Gesamtkontext der fraglichen Äußerung an. Grundsätzlich ist dabei von einem
weiten Verständnis des Meinungsbegriffs auszugehen. Eine Äußerung fällt auch
dann in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, wenn sich diese Elemente, wie
häufig, mit Elementen einer Tatsachenmitteilung oder -behauptung verbinden oder
vermischen, jedenfalls dann, wenn beide sich nicht trennen lassen und der
tatsächliche Gehalt gegenüber der Wertung in den Hintergrund tritt. Würde in
einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so
könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt
werden. Im Zweifel ist im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes davon
auszugehen, dass es sich um eine Meinungsäußerung handelt.
Dem beanstandeten Text ist keine Tatsachenbehauptung dahin
zu entnehmen, der Antragsteller des Ausgangsverfahrens habe eine maltesische
Gesellschaft gegründet, um Mehrwehrsteuer zu sparen beziehungsweise und habe
dort Steuern gespart. Es handelt sich um eine Meinungsäußerung der
Beschwerdeführerin dahin, dass unstreitig in Malta bestehende Steuervorteile
bei der unstreitig vom Antragsteller in Malta gegründeten Gesellschaft eine
Rolle gespielt haben können. Jedenfalls könne ein Zusammenhang zwischen
unstreitigen Steuervorteilen und dem Umstand bestehen, dass der Antragsteller
des Ausgangsverfahrens Hauptgesellschafter einer maltesischen Limited ist, die
den Begriff „Yachting“ im Gesellschaftsnamen führt. Die gegenständliche Passage
ist von Elementen der Stellungnahme und des Dafürhaltens geprägt. Die
Beschwerdeführerin leitet aus den konkret dargelegten Umständen und der Nähe zu
Gesellschaftsgründung und Steuervorteilen diese Vermutung ab. Dass ihr
unbekannt war, ob die Gesellschaft für den Erwerb einer Jacht und damit für
„ein Steuerschnäppchen“ gegründet wurde, teilt sie offen mit.
Quelle: Pressemitteilung
Nr. 9/2021 vom 28. Januar 2021
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