Das Amtsgericht Stuttgart hat mit Beschluss vom 06.11.2020, Az. 3 C 2844/20 entschieden, dass in dem Fall, dass einem wegen einer Urheberrechtsverletzung als Täter in Anspruch genommenen Anschlussinhaber die Anschrift der möglichen Alternativtäter nicht bekannt ist, da sich die Wohngemeinschaft zwischenzeitlich aufgelöst hat, für diesen keine Pflicht zum Nachforschen bzw. Ermittlung einer aktuellen ladungsfähigen Anschrift besteht.
Die sekundäre
Darlegungslast führe nicht zu einer Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem
Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu
verschaffen. Mit der namentlichen Nennung der Alternativtäter habe der Beklagte
seiner sekundären Darlegungslast genügt.
Es sei zwar
zutreffend, so das Amtsgericht, dass ein Beweis unter dem Gesichtspunkt der
Beweisvereitelung als geführt angesehen werden kann, wenn sich die nicht
beweispflichtige Partei ohne triftigen Grund verweigert, die nur ihr bekannte
ladungsfähige Anschrift eines Zeugen mitzuteilen. So liege der Fall hier aber
nicht. Dem Beklagten sei die aktuelle Anschrift nicht bekannt. Dieser Umstand
wirke sich nicht zu seinen Ungunsten aus.
Es bestehe nach
Ansicht des Amtsgerichts auch keine Nachforschungspflicht des Beklagten. Dass
sich die Klägerin dazu entschied, erst zweieinhalb Jahre nach der behaupteten
Urheberrechtsverletzung Klage zu erheben, falle ihr selbst zur Last. Der
Beklagte müsse nicht die Anschriften der Alternativtäter stets aktuell halten
und soweit fortlaufend weiter nachforschen.
Gründe
1.
Das Gericht
weist gem. § 139 ZPO auf Folgendes hin:
Eine
Verpflichtung zur Mitteilung ladungsfähiger Anschriften der von dem beklagten
Anschlussinhaber benannten Alternativtäter der streitgegenständlichen
Urheberrechtsverletzungen (File-Sharing) besteht im Streitfall nicht.
a) Nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt die sekundäre
Darlegungslast des Anschlussinhabers „weder zu einer Umkehr der Beweislast noch
zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Absatz
1, Abs. 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem
Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu
verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast
vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls
welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss
hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist
der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur
Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer
eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. […] Der Inhaber eines
Internetanschlusses hat […] nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit
Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher
Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und
Zutun des Anschlussinhabers zu begehen. Entspricht der Beklagte seiner
sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin als
Anspruchstellerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer
Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen“ (vgl.
nur BGH, NJW 2018, 68 Rn. 13 – Egoshooter [Hervorhebung nur hier]).
Mit der
namentlichen Benennung der Alternativtäter, welche entsprechend den höchstrichterlichen
Vorgaben auf Grundlage des Beklagtenvortrags jeweils konkret als Täter in
Betracht kommen, hat der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast im Rahmen
der Täterschaftsvermutung genügt. Es ist folglich an der Klägerin einen Beweis
anzutreten, um entweder die Täterschaft des Anschlussinhabers oder – was
genügen würde – die Unwahrheit seines Vortrags zu beweisen (zutreffend: LG
Frankfurt, MMR 2018, 842 Rn. 34; vgl. auch BGHZ 19, 387, 390 sowie Kern in
Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 138 Rn. 14 mwN). Soweit die Klägerin dem
entgegen tritt und geltend macht, dass der Anschlussinhaber den Alternativtäter
im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast nicht nur namentlich benennen (dazu:
BGH, GRUR 2017, 1233 Rn. 24 ff. – Loud), sondern im Prozess auch dessen –
aktuelle – ladungsfähige Anschrift mitteilen müsse, verkennt sie, dass es sich
insoweit nicht um Tatsachenvortrag zur Täterschaft – der allein im Rahmen der
sekundären Darlegungslast geschuldet sein kann – sondern um eine
Mitwirkungshandlung im Rahmen des Beweisantritts und der Beweisführung handelt
(insofern zutreffend: LG Frankfurt, Beschluss vom 27. Oktober 2017 – 2-03 S
12/17, juris Rn. 11 mwN). Denn die „Benennung eines Zeugen mit den nach § 373
ZPO notwendigen Angaben einschließlich dessen ladungsfähiger Anschrift ist
nicht mehr Teil des den Parteien obliegenden Tatsachenvortrags, sondern Element
der sich daran anschließenden und auf dem Parteivorbringen beruhenden
Beweisführung. Die Grundsätze der sekundären Darlegungslast finden darum
hierauf keine Anwendung“ (so ausdrücklich: BGH, NJW 2008, 982 Rn. 18; vgl. auch
BGH NJW 1960, 821; Thole in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 286 Rn. 200 mwN).
b) Richtig ist
danach allerdings, dass ein Beweis – sofern ein tauglicher Beweisantritt
erfolgt – unter dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung als geführt angesehen
werden kann, wenn sich die nicht beweispflichtige Partei ohne triftigen Grund
weigert, die nur ihr bekannte ladungsfähige Anschrift eines Zeugen mitzuteilen
(BGH, NJW 1960, 821; vgl. auch BGH, NJW 2008, 982 Rn. 18). So liegt es hier
aber nicht, da dem Beklagten – nach seinem Vorbringen – das Wissen um die
aktuelle Anschrift ebenso fehlt wie der Klägerin. Dieser Umstand wirkt sich –
entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht zu Ungunsten des Beklagten aus.
Zwar ist der
Anschlussinhaber bezogen auf die Frage, ob andere Personen und gegebenenfalls
welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss
hatten, dazu verpflichtet – im Rahmen des Zumutbaren – Nachforschungen
anzustellen und deren Ergebnis mitzuteilen (vgl. etwa BGH, NJW 2018, 68 Rn. 13
– Egoshooter; BGH, NJW 2016, 953 Rn. 42 – Tauschbörse III). Dieser Pflicht hat
der Beklagte aber genügt. Insbesondere ergibt sich aus seinem Vortrag, dass die
Wohngemeinschaft zum Zeitpunkt seiner Nachforschungen nach Erhalt der Abmahnung
vom 21.11.2017 noch bestand, mithin die nunmehr veralteten ladungsfähigen Anschriften
zum Zeitpunkt seiner Nachforschungen noch aktuell waren. Dass eine aktuelle
Anschrift nicht mehr vorliegt, nachdem sich die Klägerin entschlossen hat, ihre
Ansprüche nicht zeitnah, sondern erst nach zweieinhalb Jahren gerichtlich
geltend zu machen, fällt der Klägerin daher selbst zur Last. Insbesondere
besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, eine Verpflichtung des
Anschlussinhabers, Anschriften der Alternativtäter stets aktuell zu halten und
insoweit fortlaufend weiter nachzuforschen.
2.
Gem. § 356 ZPO
wird der Klägerin aufgegeben, die ladungsfähigen Anschriften der Zeugen L. und
N. mitzuteilen bis längstens: 11.12.2020
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