Nr. 193/2012
Bundesgerichtshof zur Haftung von Eltern für
illegales
Filesharing ihrer minderjährigen Kinder
Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat
des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass Eltern für das illegale
Filesharing eines 13-jährigen Kindes grundsätzlich nicht haften, wenn sie das
Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen
belehrt hatten und keine Anhaltspunkte dafür hatten, dass ihr Kind diesem Verbot
zuwiderhandelt.
Die Klägerinnen sind Tonträgerhersteller. Sie sind Inhaber
ausschließlicher urheberrechtlicher Nutzungsrechte an zahlreichen
Musikaufnahmen.
Am 28. Januar 2007 wurden nach den Ermittlungen eines von den
Klägerinnen beauftragten Unternehmens in einer Internettauschbörse unter einer
bestimmten IP-Adresse 1147 Audiodateien zum kostenlosen Herunterladen angeboten.
Die Klägerinnen stellten Strafanzeige gegen Unbekannt und teilten der
Staatsanwaltschaft die IP-Adresse mit. Nach der im Ermittlungsverfahren
eingeholten Auskunft des Internetproviders war die IP-Adresse zur fraglichen
Zeit dem Internetanschluss der Beklagten zugewiesen.
Bei den Beklagten handelt es sich um ein Ehepaar. Sie hatten
den Internetanschluss auch ihrem damals 13 Jahre alten Sohn zur Verfügung
gestellt, dem sie zu seinem 12. Geburtstag den gebrauchten PC des Beklagten zu 1
überlassen hatten.
Bei einer vom zuständigen Amtsgericht angeordneten Durchsuchung
der Wohnung der Beklagten wurde am 22. August 2007 der PC des Sohnes der
Beklagten beschlagnahmt. Auf dem Computer waren die Tauschbörsenprogramme
"Morpheus" und "Bearshare" installiert; das Symbol des Programms "Bearshare" war
auf dem Desktop des PC zu sehen.
Nach Einsichtnahme in die Ermittlungsakte der
Staatsanwaltschaft ließen die Klägerinnen die Beklagten durch einen Rechtsanwalt
abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern.
Die Beklagten gaben die Unterlassungserklärung ab. Sie weigerten sich jedoch,
Schadensersatz zu zahlen und die Abmahnkosten zu erstatten.
Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Beklagten seien wegen
einer Verletzung ihrer elterlichen Aufsichtspflicht zum Ersatz des Schadens
verpflichtet, der durch das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen der
Musikstücke entstanden sei. Sie nehmen die Beklagten wegen des öffentlichen
Zugänglichmachens von 15 Musikaufnahmen auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe
von 200 € je Titel, insgesamt also 3.000 € nebst Zinsen sowie auf Erstattung von
Abmahnkosten in Höhe von 2.380,80 € in Anspruch.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der
Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die
Beklagten hafteten nach § 832 Abs. 1 BGB für den durch das illegale Filesharing
ihres minderjährigen Sohnes entstandenen Schaden, weil sie ihre elterliche
Aufsichtspflicht verletzt hätten. Sie hätten die Einhaltung der von ihnen
aufgestellten Verhaltensregeln für die Internetnutzung nicht - wie von ihnen
behauptet - kontrolliert. Hätten die Beklagte auf dem Computer ihres Sohnes
tatsächlich eine Firewall und ein Sicherheitsprogramm installiert, das bezüglich
der Installation weiterer Programme auf "keine Zulassung" gestellt gewesen wäre,
hätte ihr Sohn die Filesharingsoftware nicht installieren können. Hätte der
Beklagte zu 1 den PC seines Sohnes monatlich überprüft, hätte er die von seinem
Sohn installierten Programme bei einem Blick in die Softwareliste oder auf den
Desktop des Computers entdecken müssen.
Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des
Berufungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach Ansicht des BGH
genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges
Kindes, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits
dadurch, dass sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an
Internettauschbörsen belehren. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des
Internet durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen
oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht
grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern - so der BGH - erst
verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung
des Internetanschlusses durch das Kind haben.
Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 74/12 - Morpheus
LG Köln - Urteil vom 30. März 2011 - 28 O 716/10
CR 2011, 687
OLG Köln - Urteil vom 23. März 2012 - 6 U 67/11
WRP 2012, 1007
Karlsruhe, den 15. November 2012
Quelle: Pressemitteilung des BGH
Quelle: Pressemitteilung des BGH
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