"Justizminister prüfen Fahndung per Facebook" - so
die Meldung etwa im FOCUS. Und weiter "Die Justizminister der Länder
wollen prüfen, ob die Polizei in Zukunft auch beim Online-Netzwerk Facebook auf
Verbrecherjagd geht. Eine Arbeitsgruppe soll in den kommenden Monaten
untersuchen, welche Möglichkeiten es für eine solche Fahndung im Internet gibt. as beschlossen die Ressortchefs am Donnerstag einstimmig
bei einem Treffen in Berlin. "
Fakt ist, dass über kein anderes Medium in relativ kurzer
Zeit so viele Personen erreicht werden können wie über die sozialen Netzwerke
wie Facebook, Xing, LinkedIn, twitter etc..
Die Möglichkeiten die sozialen Netzwerke möchte auch die
Polizei für die Suche nach Straftätern nutzen. Klar ist auch, dass die
klassischen Fahndungsmittel der Poluzeibehörden wie Plakate in Glaskästen auf
den Fluren der Gerichte, Anzeigen in den Printausgaben der Tageszeitungen und
Fernsehsendungen wie "Aktenzeichen XY – ungelöst" immer weniger
Menschen erreichen, und insbesondere die jüngere Generation ob deren
veränderter Informationsbeschaffung nicht.
Ganz neu ist das nicht, nutzt doch die Polizeidirektion Hannover ihren Facebook-Account regelmäßig
und auch erfolgreich für Fahndungsaufrufe in verschiedenen
Ermittlungsverfahren. So schön einfach das auch klingt, was bleibt ist ein großes "Aber".
Denn die Ermittlung unter Zuhilfenahme der sozialen Netzwerke birgt für die Ermittler zwei rechtliche Probleme:
Zunächst die bundeseinheitliche Verwaltungsvorschrift, die
so genannten Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren
(RiStBV) und hier Punkt 3.2 der Anlage B zu den RiStBV und den Datenschutz.
Beim Datenschutz kommt noch verschärfend hinzu, dass Facebook nicht dem
strengen deutschen Datenschutzrecht unterliegt, sondern Facebook mit den
Nutzern die Geltung des US-amerikanischen Rechts vereinbart.
Einfach abzuhandeln ist wohl Punkt 3.2 der Anlage B zu den RiStBV. Die Vorschrift
lautet:
3.2 Nutzung des Internets
Um die Aufmerksamkeit der Internetnutzer für die
Öffentlichkeitsfahndung zu erlangen, ist es zweckmäßig, die staatlichen
Fahndungsaufrufe im Internet auf speziellen Seiten - etwa der Polizei - zu
bündeln. Private Internetanbieter sollen grundsätzlich nicht eingeschaltet
werden.
Sobald das Fahndungsziel erreicht ist oder die
Ausschreibungsvoraussetzungen aus sonstigen Gründen nicht mehr vorliegen, ist
die Nutzung des Internets zu Fahndungszwecken unverzüglich zu beenden. Darüber
hinaus sind Internetfahndungen von der Staatsanwaltschaft - in den Fällen der
Nummer 2.4 von der Vollstreckungsbehörde - regelmäßig, spätestens in
halbjährlichen Abständen, hinsichtlich des weiteren Vorliegens der
Ausschreibungsvoraussetzungen, insbesondere der weiteren Erfolgsaussichten
dieser Fahndungsmethode, zu prüfen.
Zunächst zum ersten Absatz und hier Satz zwei, denn um den
geht es bei der Fahndung via Facebook etc. Private Internetanbieter sollen
grundsätzlich nicht eingeschaltet werden.
Aber wo es einen Grundsatz gibt, gibt es auch mindestens
eine Ausnahme (BGB, 1. Semester). - Mit dieser Ausnahme hat die
Polizeidirektion in der Vergangenheit gearbeitet, kann das Medium der sozialen
Netzwerke wohl aber nicht bei jeder Fahndung einsetzen.
Selbst wenn aber dieses "Problem" gelöst werden
könnte, etwa durch Streichung des Satzes 2, wäre das weitaus größere Problem
des Datenschutzes nicht gelöst.
Datenschutz! Wieso eigentlich Datenschutz?
Ein Beispiel: Im Wilden Westen wurde der Steckbrief des
Gesuchten, nachdem dieser "tot oder lebendig" an die damaligen
Ordnungsbehörden übergeben worden war, abgehängt. Dies passiert auch heute noch
mit den wenigen Fahndungsplakaten. Vermeintlicher Verdächtiger gefasst und das
Plakat kommt in den Schredder.
Nicht aber so im Internet, denn das Internet vergisst ja
bekanntlich nie. Dies bedeutet nichts anderes, als dass ein einmal in einem
sozialen Netzwerk geposteter Fahndungsaufruf nicht mehr gelöscht werden kann,
denn z.B. Facebook belässt die von den Nutzern gelöschten Inhalte trotzdem noch
auf den facebook-eigenen Servern. Löschen, im Sinne von vollständig entfernen,
funktioniert also nicht.
Bisher wurde das Problem umgangen. Der Fahndungsaufruf wurde
auf der Website der ersuchenden Behörde gepostet und dann via Facebook
verlinkt. War der Aufruf erfolgreich, konnte das Posting auf der Website oder
dem Server gelöscht werden und die Verlinkung verläuft ins Leere.
So soll das wohl auch zukünftig geschehen. Zumindest hat
dies die 84. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am
7./8. November 2012 gefordert.
Damit wäre aber das Problem des Datenschutzes, welcher ja
auch eine Ausformung des Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 2 Abs. 1 GG darstellt, noch nicht gänzlich gelöst.
Denn möglich wäre es ja, dass die Aufrufe kopiert und von
Dritten nochmals in den sozialen Netzwerken gepostet werden könnten. Die
Möglichkeit solche Fahndungsaufrufe zu kommentieren ließe sich auch nicht
abstellen. Und wenn dann in diesen Kommentaren die Namen der Verdächtigen oder
gar nur Zeugen auftauchen würden, würde der erste Grundsatz des Internets
gelten: Das Internet vergisst nie, d.h. die ganze Internetgemeinde könnte
sofern es sie interessiert für immer erfahren, wen denn die Polizei gesucht hat
und zwar im Zusammenhang mit einem klar definierten Ermittlungsverfahren.
Was dies für zu Unrecht Verdächtigte bedeuten würde lässt
sich leicht ausmalen. Zudem wäre dies nicht mit den Grundsätzen der
Verdachtsberichterstattung des BVerfG (BVerfGE 35, 202 - Lebach I, BVerfG NJW
2000, 1859 - Lebach II) und zu den Onlinearchiven der Zeitungen des BGH (BGH
NJW 2010, 757f.) in Einklang bringen. Wenn selbst verurteilte Täter ein Recht
auf Vergessen haben, dann muss dies für zu Unrecht Verdächtigte erst recht
Geltung haben.
Fazit:
Um den Zwiespalt zu lösen, dass auf der einen Seite die
Ermittlungsbehörden den Nutzen aus dem Verbreitungsgrad und der Schnelligkeit
von Fahndungsaufrufen via sozialer Netzwerke nutzen können müssen, aber auf der
anderen Seite die Rechte der Beschuldigten und insbesondere die
Persönlichkeitsrechte der zu Unrecht Beschuldigten und der Zeugen stehen,
bedarf es klarer Vorgaben in der RiStBV, unter welchen besonderen
Voraussetzungen eine Fahndung via Facebook gestattet ist. Zudem wird es datenschutzrechtlich nur zulässig sein die Fahndungsaufrufe auf den Servern der Ermittlungsbehörden zu belassen und diese dann auf die Profile der Ermittlungsbehörden in den sozialen Netzwerken zu verlinken. Denn nur so sind die Aufrufe halbwegs zu löschen.
Denn eins dürfte nach den Erfolgen der Polizeidirektion
Hannover auch klar sein, wenn die Ermittlungsbehörden den Gang über die
sozialen Netzwerke nicht bestreiten wollen oder werden, Betroffene, Opfer oder
Angehörige von Opfern werden diesen Weg gehen, da dieser aufgrund der schellen
Verbreitung von Informationen zumindest den Anschein erweckt zielführend zu
sein.
Und ob das dann besser ist?!
Und ob das dann besser ist?!
Ein sehr gut geschriebener Artikel Herr Gerth !
AntwortenLöschenZu den Aspekten den Datenschutzes, hätte ich aber doch ein paar Anmerkungen. Auch in den (Vor-)Zeiten des Internets, war es (theoretisch) möglich, dass veröffentlichte Plakat der Behörden abzufotografieren, den Bericht im Fernsehen aufzunehmen und ihn dadurch wieder einer nicht mehr überschaubaren Menge an Personen zugänglich zu machen. Das Medium Internet beschleunigt diesen Effekt natürlich enorm. So gesehen dürfte persé dann die Öffentlichkeitsfahndung an sich nicht Datenschutzkonform sein. Für mich (persönlich) stellt sich immer die Frage, ob man sich im klaren ist, was eigentlich veröffentlicht wird. In der Regel sollte bis zur Veröffentlichung bei Öffentlichkeitsfahndungen oder auch Internetfahnungen hohen Ansprüchen entsprochen werden. Es werden also qualifizierte Straftaten vorliegen, welche ihrerseits wieder massiv in die (Grund-)Rechte der Betroffenen / Geschädigten eingreifen. Nicht jeder "Hasendiebstahl" sollte also per Internet verfolgt werden. Aber der Staat / die Repression / die Justiz sollte auch nicht den (nicht mehr aufzuhaltenden ) Zug des Internets verpassen.
MfG
M.O.S
Vielen Dank für den interessanten Artikel. Das Spannungsfeld zwischen informationeller Selbstbestimmung und öffentlicher Sicherheit kommt oft zu kurz (oder gar nicht vor) in der Debatte.
AntwortenLöschenProblem erkannt, jedoch kaum lösbar. Was dem Privatmann/frau möglich u. bislang erlaubt ist, kann den Sicherheitsbehörden wohl schwerlich versagt werden. Facebook u. Co kümmern sich wohl kaum um die Sorgen der "Deutschen". Wer mit den Anzeigen der Geschädigten anlässlich böswillige Attacken gg. missliebiger "Freunde" zu tun hat, weiß, wie absurd sich diese Datenschutzfrage in unserem Land entwickelt hat.
AntwortenLöschenTrotzdem: wer kopiert und das Kopierte weiter verbreitet bleibt nicht straffrei!
Nur, wer soll diese Täter u. wie ermitteln?
MfG
A.D.
Wieder eine Seite, die den Täterschutz über den Opferschutz stellt. Wenn die Polizei doch Täter von Straftaten ermitteln will, warum legen ihr solche "Rechts"- Anwälte immer wieder Steine in den Weg? Sind Ihnen wirklich die Millionen Opfer von Straftaten egal?
AntwortenLöschenLetztens wurde bei Facebook ein Video eines jungen Hundes, der angezündet wurde und verbrannt ist, eingestellt. Das BKA ist sofort eingeschritten.
Wenn bei Facebook irgendwelche Dummköpfe alles Private reinschreiben, dann ist das für alle offen. Auch für die Polizei. Wer das nicht will, sollte vielleicht eher Facebook nicht benutzen, um "Freunde" zu finden.
Danke für den guten und verständlich dargestellten Artikel. Er trifft aber nur eine Seite des Problems. Leider werden soziale Plattformen von der Polizei immer mehr zu verdeckten Ermittlungen/Fahndungen benutzt. Dort tritt die Polizei dann nicht öffentlich auf. Dies mag im Sinne des Opferschutzes (an Bruno!) durchaus verständlich sein, birgt jedoch rechtsstaatlich eine riesige Gefahr. Vergleicht man die sozialen Plattformen z.B. mit einem Stammtisch ocer privaten Freundeskreis, wird sofort klar, dass der Staat hier in den von der Verfassung geschützten Lebensbereich eindringt. Unsere Demokratie lebt aber davon, dass der Bürger sich unbeobachtet vom Staat entfalten und entwickeln kann. Leider werden die sozialen Medien sowohl bei der Öffentlichkeitsfahndung, als auch bei der verdeckten Fahndung nicht nur bei schweren Gewalttaten genutzt. Es besteht eine zunehmende Tendenz sie auch bei geringfügigen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten heranzuziehen. Mag das dem ein oder anderen rechtstreuen Bürger egal sein, aber dann sollte man bedenken wie leicht man bei solchen Ermittlungen auch als Unschuldiger in die "Fänge" übereifriger Ermittler geraten kann. Z.B. nur dadurch, dass sie als Fussballfan in den falschen Foren verkehren (Ultras).
AntwortenLöschenDaher - wehret den Anfängen. Und für Zweifler - ich bin Polizeibeamter und wahr Jahrelang erfolgreicher Ermittler!